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Mignon

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,
Kennst du es wohl?
   Dahin! Dahin!
Möcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.

Kennst Du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach,
Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,
Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:
Was hat man dir, du armes Kind, getan?
Kennst du es wohl?
   Dahin! Dahin!
Möcht ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn.

Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?
Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg;
In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut;
Es stürtzt der Fels und über ihn die Flut,
Kennst du ihn wohl?
   Dahin! Dahin!
Geht unser Weg! o Vater, laß uns ziehn!

(von Johann Wolfgang Goethe)

Italienreise

Ein Urlaub am Strand, zwei Wochen Erholung bei hoffentlich gutem Wetter, sich verwöhnen lassen, in einem guten Hotel, sicher eine Zeit auf die man sich freuen wird — eine Italienreise aber, ist das nicht mehr — Italienreise — dieses Zauberwort der deutschen Klassik und Romantik steht für jahrhundertealte Träume und Sehnsüchte, die Italien das Land im Süden in uns weckt. Folgen wir doch unseren Schriftstellern, unseren Malern und Bildhauern auf ihrem inspirierendem Weg in den Süden, in das Land, "wo die Zitronen blühen" oder "die Pomeranzen wachsen", wie Eichendorffs Taugenichts Goethe spöttisch zitiert.

Steckt in uns nicht gerade etwas von diesem Taugenichts, der dem geregelten Arbeitsalltag in der väterlichen Mühle entflieht und sich auf eine romantische Reise in einen anderen unbekannten Süden aufmacht, unbekannten Abenteuern entgegen, wenn wir uns auf eine Reise nach Italien begeben, auch wenn dieser heute schon bei Ihrem Antritt ein vordefiniertes Ende bestimmt ist.

Es sind die immaginären Gegensätze zwischen den Ländern und Völkern, die die Menschen aus dem Norden von jeher in den Süden ziehen: Leben um zu arbeiten — il dolce far niente, Regen — Sonne, langweilige Ordnung — kreatives Chaos, kalte Vernunft — heißes Temperament, Zurückhaltung — der Latin Lover, amore. Natürlich sind das Klischees, die, wenn man sich unreflektiert auf sie verließe, sich allzu schnell als Illusionen erweisen könnten, doch beinhalten sie wohl auch etwas Wahres, das sich auf den hellen und dunklen Seiten der Völker wiederfindet.

Doch hat Italien dem Reisenden in der Tat eine Menge zu bieten: Eine vielgestaltige Geographie mit abwechslungsreichen Landschaften zwischen Küste und Hochgebirge, die berühmte Küche, den Fremden gegenüber aufgeschlossene Bewohner und nicht zuletzt eine alte Kulturgeschichte, von der uns zahlreiche Zeugnisse von der Vorgeschichte, der Antike, dem Mittelalter über die Renaissance und das Barock bis zur Gegenwart erhalten sind.

Auf einer Reise nach Italien werden wir zunächst vom Hochgebirge der italienischen Alpen empfangen. Bei der Weiterreise durchqueren wir die Poebene und stoßen dann auf den Gebirgszug, der Apenninen, der praktisch den ganzen italienischen Stiefel durchzieht und sich auf der Höhe Roms, aber eher auf der anderen Seite des Stiefels, zum Hochgebirge der Abruzzen auftürmt, das Steinböcken, Bären und Wölfen Lebensraum bietet.

Im Osten Italiens liegt die Adria. Weite Teile der adriatischen Küste sind von langen Sandstränden bestimmt, deren Uferlinie nur ganz allmählich ins tiefer werdende Wasser übergeht. Somit ist die Adria ideal für einen Badeurlaub mit der Familie, mit Kindern, geeignet. An der Westküste reichen die Mittelgebirge oft bis ans Meer, zu dem sie beispielsweise bei den Cinque Terre genannten Küstendörfchen nahe La Spezia und im Golf von Sorrent als romantische Steilküsten jäh hinabfallen.

In den Vulkanen, dem Stromboli, dem Vesuv und dem gewaltigen Ätna, offenbart sich die Urgewalt der Natur. Monumente ihrer immensen Zerstörungskraft sind die historischen Orte Pompej und Herculaneum, die der Vesuv unter mehreren Metern Asche bzw. Tuffstein begraben hat. Auf diese Weise konserviert geben die beiden Siedlungen uns heute Aufschluß über das antike Leben. Einerseits bedrohen die Vulkane die Menschen durch zerstörerische Ausbrüche, andererseits profitieren diese von der Fruchtbarkeit der vulkanischen Erde, der Heilkraft der Termal- und Schwefelquellen und heute nicht zuletzt auch von der turistische Anziehungskraft, die von den geologischen Ungetümen ausgeht.

Große Inseln (Sizilien, Sardinien und das französische Korsika) und kleine Inseln (Elba, Ischia, Capri, die äolischen Inseln und weitere) umgeben den Stiefel. Sie haben alle ihr eigenes Gepräge und stellen jeweils einen eigenen Mikrokosmos dar.

Die Fülle der architektonischen Denkmäler Italiens ist überwältigend. In Süditalien und auf Sizilien zeugen Tempelanlagen und Amphietheater von der griechischen Vergangenheit dieser Landstriche. Auch die Staufer haben dort ihre Spuren hinterlassen.

Rom war Hauptstadt eines Weltreiches. Das Forum Romanum und eine Vielzahl weiterer Denkmäler dokumentieren zerfallene Macht und ehemaligen Reichtum. Die Katakomben zeugen von den schwierigen Anfängen des Christentums in der antiken Metropole und dem römischen Reich, zu dessen Staatsreligion es nach jahrhundertelanger Verfolgung schließlich wurde. Heute ist der Vatikan mit seinem Wahrzeichen, dem Petersdom, Sitz des Pabstes und geographischer Mittelpunkt der römisch katholischen Kirche.

Florenz und die Toskana sind Zentren der Renaisance, welche hier ihren Anfang genommen hat. Eine Besonderheit ist natürlich das auf Pfählen ins Meer gebaute Venedig, von dem aus die Dogen ihre Seerepublik regierten.

Frühe Italienreisende waren Pilger, die sich zu Fuß auf den weiten Weg in die heilige Stadt begaben. Seit der Renaisance folgten ihnen Künstler. Einer der ersten war Albrecht Dürer, der in Italien seinen dortigen Malerkollegen über die Schulter schaute. Schließlich kamen Bildungsreisen bei Adligen und wohlhabenden Bürgern, die sich die lange Fahrt mit einer Pferdekutsche leisten konnten, in Mode. Goethes Italienreise ist vielleicht die bekannteste Unternehmung dieser Art. Eichendorff ließ seinen Taugenichts, nach dem Vorbild fahrender Scolare, wiederum zu Fuß wandern, nachdem dieser die väterliche Mühle verlassen hatte (um dorthin letztendlich doch wieder zurückzukehren).

Durch den Bau von Eisenbahnstrecken wurde die Zeit von Fahrten nach und durch Italien erheblich verkürzt und eine Reise weiteren Bevölkerunsschichten ermöglicht. Hermann Hesse hat zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, 1901 und 1903, solche Bahnreisen nach Italien unternommen und seine Eindrücke auch literarisch verarbeitet.

Die zunehmende Verbreitung des Automobils führte in den sechziger und siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zu einem Höhepunkt des Massenturismus. Scharen von Mitteleuropäern setzten sich mit ihren motorisierten Gefährten gen Süden in Bewegung und verwandelten die Küste der nördlichen und mittleren Adria in den "Teutonengrill". Man sprach allerorten Deutsch und die Urlauber mußten auch auf Eisbein mit Sauerkraut und andere vertraute Speisen nicht verzichten. — Spaghetti und Pizza wurden ja noch als durchaus fremdartig und von manchem auch als gewöhnungsbedürftig empfunden.

So vielfältig Italien ist, so vielfältig sind auch die Möglichkeiten, es zu bereisen. Man kann Italien entlang der Küste umrunden oder den Apenninen folgen; man kann einen Badeurlaub verbringen, tauchen, surfen, segeln oder sich in den Bergen bewegen, wandern, bergsteigen und im Winter auch Ski fahren; man kann die Denkmäler des frühen Christentums und Wallfahrtsstätten besuchen, kann auf einer Städtereise Kunst und Architektur studieren, Exkursionen zu antiken Ausgrabungsstätten unternehmen; vor allem aber kann man, wenn man wie die meisten von uns ungleich Dürer, Goethe, Hesse oder dem Taugenichts nur wenige Wochen eines Jahres Zeit hat, sich ein interessantes Reiseziel suchen, von dort aus je nach Interesse Ausflüge unternehmen und so einen abwechslungsreichen Urlaub gestalten, der Erholung und Kultur verbindet.

Copyright © 2009, Gerald Bühler, Erlangen